
Eine systemische Aufstellung mit dem Systembrett ist eine Methode aus der systemischen Therapie und Beratung, um Beziehungs- und Strukturdynamiken innerhalb eines Systems (z. B. Familie, Team, Organisation oder innere Persönlichkeitsanteile) sichtbar und verständlich zu machen.
Amazon Link - Systembrett
Ablauf einer Systembrett-Aufstellung
Thema klären:
Zunächst formuliert die aufstellende Person (Klient*in) das Anliegen oder Problem, das sie bearbeiten möchte. Das kann eine zwischenmenschliche Beziehung, eine Entscheidungssituation oder ein innerer Konflikt sein.Figuren auswählen und positionieren:
Die Klient*in wählt kleine Holzfiguren oder andere Markierungen, die für Personen, Rollen oder Konzepte stehen, und stellt sie auf dem Brett so auf, dass sie die aktuelle Situation widerspiegeln. Dabei spielen Abstände, Blickrichtungen und Gruppierungen eine wichtige Rolle.Wahrnehmung und Reflexion:
Die Beraterin oder Therapeutin fragt nach Empfindungen, Interpretationen und möglichen Dynamiken, die sich aus der Anordnung ergeben. Oft zeigt sich durch die Visualisierung eine neue Perspektive auf das Problem.Veränderungen und Lösungsansätze:
Die Figuren können umgestellt werden, um alternative Sichtweisen und Lösungswege zu erkunden. Dies ermöglicht es der Klient*in, neue Handlungsmöglichkeiten zu entdecken und zu erleben, wie sich Veränderungen anfühlen könnten.Integration und Abschluss:
Die gewonnenen Erkenntnisse werden besprochen und mögliche nächste Schritte im realen Leben reflektiert.
Vorteile der Systembrett-Aufstellung
✔ Sichtbarkeit: Komplexe Beziehungen und Strukturen werden greifbar.
✔ Emotionale Distanz: Statt direkt über Probleme zu sprechen, kann man sie visuell betrachten.
✔ Neue Perspektiven: Veränderungen auf dem Brett führen oft zu Aha-Erlebnissen.
✔ Flexibilität: Kann für persönliche, berufliche oder therapeutische Themen genutzt werden.
Diese Methode eignet sich besonders für Einzelcoachings oder Therapiegespräche, da sie ohne eine Gruppe durchgeführt werden kann.
Auswertung einer systemischen Aufstellung mit dem Systembrett
Die Auswertung ist ein zentraler Teil der systemischen Aufstellung mit dem Systembrett. Sie hilft dabei, die dargestellten Muster, Beziehungen und Dynamiken zu reflektieren und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dabei werden verschiedene Aspekte betrachtet:
1. Wahrnehmung der aktuellen Aufstellung
Fragen an die Klient*in:
- Wie fühlt sich die aktuelle Anordnung für Sie an?
- Welche Figuren oder Beziehungen fallen Ihnen besonders auf?
- Gibt es überraschende oder belastende Konstellationen?
- Welche Figur fühlt sich „nah“ oder „fern“ an?
Ziel: Die Klient*in erkennt unbewusste Muster und Dynamiken in ihrer Situation.
2. Analyse der Abstände und Blickrichtungen
Mögliche Interpretationen:
- Große Abstände können für emotionale oder kommunikative Distanz stehen.
- Nahe Figuren deuten oft auf enge Beziehungen oder starke Abhängigkeiten hin.
- Wenn eine Figur nicht gesehen wird oder abgewandt steht, kann das ein Zeichen für Vernachlässigung oder Ausgrenzung sein.
Ziel: Beziehungsmuster werden sichtbar gemacht.
3. Symbolik und unbewusste Bedeutungen erkennen
Mögliche Fragen:
- Gibt es Figuren, die eine unerwartete Rolle einnehmen?
- Welche Emotionen entstehen bei bestimmten Positionierungen?
- Welche unbewussten Konflikte oder Ressourcen zeigen sich?
Ziel: Unbewusste Dynamiken und mögliche Lösungsansätze werden erkennbar.
4. Veränderungen und Lösungsmöglichkeiten testen
Umstellung der Figuren:
- Wie fühlt es sich an, wenn bestimmte Figuren näher rücken oder sich anders positionieren?
- Was verändert sich, wenn eine Figur eine andere Blickrichtung einnimmt?
- Gibt es eine Konstellation, die sich stimmiger oder harmonischer anfühlt?
Ziel: Neue Handlungsmöglichkeiten werden erfahrbar gemacht.
5. Reflexion und Integration in den Alltag
Abschlussfragen:
- Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dieser Aufstellung mit?
- Welche Veränderung könnten Sie in Ihrem realen Leben ausprobieren?
- Welche erste konkrete Handlung können Sie daraus ableiten?
Ziel: Die gewonnenen Einsichten in praktische Schritte für den Alltag umwandeln.
Zusammenfassung
Die Auswertung einer Systembrett-Aufstellung hilft, unbewusste Strukturen sichtbar zu machen.
Durch Reflexion der Abstände, Blickrichtungen und Rollen entstehen neue Perspektiven.
Die Methode ermöglicht es, alternative Konstellationen zu testen und Lösungswege zu entwickeln.
Abschließend wird ein Transfer in den Alltag erarbeitet, um Veränderungen praktisch umzusetzen.
Ein Beispiel für eine Arbeitsstelle:
Ausgangssituation
Lisa (35) fühlt sich im Team ihrer neuen Arbeitsstelle nicht wirklich integriert. Sie hat das Gefühl, dass ihre Meinung nicht zählt und sie außen vor bleibt. Sie möchte herausfinden, woran das liegt und was sie ändern kann.
1. Aufstellung auf dem Systembrett
Lisa stellt folgende Figuren auf:
- Sich selbst am Rand des Bretts, leicht abgewandt.
- Ihre Kolleg*innen in einer Gruppe, eng beieinander.
- Ihre Chefin steht etwas entfernt, aber in Blickrichtung der Gruppe.
- Ein bestimmter Kollege (Tom) steht zwischen ihr und der Gruppe.
2. Erste Wahrnehmung und Reflexion
Fragen der Beraterin:
- Wie fühlt sich diese Anordnung für Sie an?
- Wer steht nah oder fern?
- Gibt es jemanden, der für Sie eine Schlüsselrolle hat?
Lisas Erkenntnisse:
- Sie fühlt sich wirklich „außen vor“, genau wie im echten Leben.
- Tom steht wie eine Barriere zwischen ihr und dem Team – das spiegelt ihre Wahrnehmung wider, dass er oft Meinungen dominiert.
- Die Chefin schaut zur Gruppe, aber nicht zu ihr – sie fühlt sich von ihr nicht wahrgenommen.
3. Analyse und Bedeutung der Positionen
Deutung durch die Beraterin:
- Die Abgeschiedenheit von Lisa zeigt ihre gefühlte Ausgrenzung.
- Tom könnte als „Schlüsselperson“ eine größere Rolle haben, als sie dachte.
- Die Chefin sieht sie nicht direkt – vielleicht fühlt Lisa sich auch deshalb wenig wertgeschätzt.
Frage:
„Was passiert, wenn Sie sich näher an die Gruppe stellen?“
4. Veränderung testen
Lisa verändert die Positionen:
- Sie stellt sich etwas näher zur Gruppe.
- Sie dreht ihre Figur leicht in Richtung ihrer Chefin.
- Sie verschiebt Tom leicht zur Seite, um einen direkteren Zugang zur Gruppe zu symbolisieren.
Ergebnis:
- Es fühlt sich stimmiger an, näher am Team zu stehen.
- Sie erkennt, dass sie selbst aktiv auf die Gruppe zugehen könnte.
- Tom scheint eine zentrale Rolle zu spielen – vielleicht könnte ein Gespräch mit ihm helfen.
5. Integration in den Alltag
Lisas Erkenntnisse & nächste Schritte:
- Aktiver auf Kolleg*innen zugehen, statt auf Einladung zu warten.
- Gespräch mit Tom führen, um mögliche Barrieren abzubauen.
- Mehr Präsenz bei der Chefin zeigen, z. B. in Meetings ihre Ideen klarer einbringen.
Fazit der Aufstellung
Lisa hat ihre Situation aus einer neuen Perspektive gesehen.
Sie hat erkannt, dass Tom eine Schlüsselrolle spielt.
Sie hat konkrete Schritte für den Alltag entwickelt.
Ein Beispiel für eine Systembrett-Auswertung in einem familiären Kontext:
Ausgangssituation
Anna (42) fühlt sich in ihrer Familie oft überlastet. Sie hat das Gefühl, dass sie für alles verantwortlich ist, während ihr Mann und ihre beiden Kinder (16 und 12 Jahre) sich zurücklehnen. Sie möchte herausfinden, warum das so ist und was sie ändern kann.
1. Aufstellung auf dem Systembrett
Anna stellt folgende Figuren auf:
- Sich selbst in der Mitte des Bretts.
- Ihren Mann (Markus) leicht entfernt, ihm zugewandt.
- Ihre Kinder stehen nahe beieinander, aber etwas abseits.
- Die Großeltern sind am Rand positioniert.
2. Erste Wahrnehmung und Reflexion
Fragen der Beraterin:
- Wie fühlt sich diese Anordnung für Sie an?
- Wer steht nah oder fern?
- Wer übernimmt welche Rolle?
Annas Erkenntnisse:
- Sie steht im Zentrum und fühlt sich für alles verantwortlich.
- Markus ist zwar nicht weit weg, aber er schaut nicht aktiv zu ihr – so empfindet sie auch seine Rolle im Haushalt.
- Die Kinder sind eng beieinander, aber nicht in direkter Verbindung zu ihr – sie wirken abgekapselt.
- Die Großeltern sind weit weg – Anna erkennt, dass sie keine Unterstützung von ihnen erwartet oder einfordert.
3. Analyse und Bedeutung der Positionen
Deutung durch die Beraterin:
- Annas zentrale Position zeigt ihre Überlastung und Verantwortlichkeit.
- Markus’ Haltung deutet darauf hin, dass er zwar da ist, aber keine aktive Rolle übernimmt.
- Die Kinder sind untereinander verbunden, aber nicht wirklich in das Familiensystem mit eingebunden – vielleicht übernehmen sie keine Aufgaben, weil sie sich nicht angesprochen fühlen?
- Die Großeltern als entfernte Figuren zeigen, dass Anna möglicherweise Unterstützung nicht annimmt oder nicht einfordert.
Frage:
„Was passiert, wenn Sie sich ein Stück zur Seite bewegen und Ihren Mann näher an die Kinder stellen?“
4. Veränderung testen
Anna verändert die Positionen:
- Sie rückt etwas aus dem Zentrum.
- Sie stellt Markus näher an die Kinder.
- Die Kinder bekommen eine offenere Ausrichtung, sodass sie mit einbezogen wirken.
- Sie platziert die Großeltern etwas näher, um mögliche Unterstützung zu symbolisieren.
Ergebnis:
- Die neue Aufstellung fühlt sich für Anna leichter an – sie erkennt, dass sie sich nicht immer ins Zentrum stellen muss.
- Markus bekommt eine aktivere Rolle – vielleicht kann sie ihn mehr einbinden, statt alles selbst zu machen.
- Die Kinder sind nun näher an den Eltern – möglicherweise kann sie ihnen mehr Verantwortung zutrauen.
- Die Großeltern stehen näher – sie erkennt, dass sie durchaus um Unterstützung bitten könnte.
5. Integration in den Alltag
Annas Erkenntnisse & nächste Schritte:
- Klare Aufgabenverteilung mit Markus besprechen – sie muss nicht alles allein machen.
- Die Kinder stärker in den Alltag einbinden – z. B. mit festen Aufgaben.
- Hilfe von den Großeltern annehmen – z. B. gelegentlich um Unterstützung bitten.
Fazit der Aufstellung
Anna hat erkannt, dass sie sich selbst oft ins Zentrum stellt, aber auch loslassen kann.
Sie sieht, dass Markus und die Kinder stärker eingebunden werden können.
Sie hat konkrete Ideen entwickelt, um sich zu entlasten.