
In einer Beziehung mit einem Menschen mit Anorexia Nervosa.
Eine Person mit Anorexia nervosa (Magersucht) zeigt in einer Beziehung oft Verhaltensweisen, die durch die Essstörung und damit verbundene Denk- und Verhaltensmuster beeinflusst werden. Anorexia nervosa ist eine komplexe psychische Erkrankung, die von starkem Kontrollbedürfnis, geringem Selbstwert und Ängsten geprägt ist, insbesondere im Zusammenhang mit Gewicht und Körperbild. Dies wirkt sich auf das Verhalten in einer Beziehung und die Dynamik mit dem Partner aus.
Hier sind einige typische Verhaltensweisen und wie sie sich auf eine Beziehung auswirken können:
1. Starkes Bedürfnis nach Kontrolle
- Kontrolle über das Essen und den Körper: Menschen mit Anorexia nervosa erleben oft einen enormen Druck, ihr Gewicht und ihr Essverhalten zu kontrollieren. Dies kann sich auch auf andere Bereiche in der Beziehung ausdehnen. Sie könnten versuchen, den Tagesablauf streng zu kontrollieren, insbesondere wenn er mit Essen zu tun hat.
- Misstrauen gegenüber Essensvorschlägen: Partner, die sich um das Essverhalten kümmern und versuchen, eine normale Mahlzeitensituation zu schaffen, könnten auf Widerstand stoßen, da die betroffene Person sich kontrolliert oder bedrängt fühlt. Selbst liebevoll gemeinte Vorschläge können als Eingriff in die persönliche Kontrolle empfunden werden.
2. Vermeidung von sozialen Aktivitäten
- Vermeidung gemeinsamer Mahlzeiten: Viele Menschen mit Anorexia nervosa empfinden Angst und Stress in Situationen, die mit Essen verbunden sind, und ziehen sich deshalb zurück. Das kann sich auf gemeinsame Essenstermine oder Einladungen bei Freunden auswirken.
- Isolation und Rückzug: Aus Scham über ihr Essverhalten oder Angst vor Fragen zum Gewicht und Aussehen ziehen sich Betroffene oft zurück, was zu Isolation führen kann. Der Partner könnte dies als Ablehnung interpretieren, obwohl die Person eigentlich nur Angst vor der Konfrontation hat.
3. Geringes Selbstwertgefühl und Perfektionismus
- Kritik am eigenen Körper: Menschen mit Anorexia nervosa neigen dazu, ihren Körper stark zu kritisieren und negative Gedanken über sich selbst zu hegen. Dies kann dazu führen, dass sie Komplimente nicht annehmen oder sogar abwehren, was den Partner verletzt.
- Perfektionismus und hohe Ansprüche: Das Streben nach einem bestimmten Idealbild oder einer bestimmten Körperform kann sich auch auf andere Bereiche der Beziehung übertragen. Betroffene setzen häufig auch in anderen Bereichen hohe Maßstäbe, die kaum erreichbar sind, was zu Frustrationen und Konflikten führen kann.
4. Ängste und Zwänge im Alltag
- Angst vor Veränderung: Menschen mit Anorexia nervosa halten oft an festen Routinen fest, da Veränderungen Angst auslösen können. In einer Beziehung zeigt sich das möglicherweise als Widerstand gegen spontane Aktivitäten, gemeinsame Urlaubspläne oder neue Freizeitbeschäftigungen, insbesondere wenn diese mit Essen oder körperlicher Aktivität verbunden sind.
- Zwanghafte Verhaltensmuster: Häufig entwickeln Betroffene zwangsähnliche Rituale, wie ständiges Kalorienzählen, Wiegen oder intensives Training. Diese Rituale sind tief verwurzelt und geben ein Gefühl von Sicherheit. Der Partner könnte das Gefühl haben, dass diese Rituale Vorrang haben und ihm zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.
5. Intensive Emotionen und Stimmungsschwankungen
- Ängste und Wutausbrüche: Der intensive innere Konflikt kann oft zu starken Stimmungsschwankungen und emotionalen Ausbrüchen führen. Betroffene fühlen sich oft überfordert, wenn der Partner versucht, sie zu unterstützen oder ihr Verhalten zu ändern, und können mit Abwehr und Rückzug reagieren.
- Emotionale Abwesenheit und Taubheit: Durch die starke Beschäftigung mit ihrem eigenen Körper und Essverhalten können Menschen mit Anorexia nervosa emotional abwesend wirken. Sie sind oft so stark mit inneren Konflikten beschäftigt, dass sie Schwierigkeiten haben, auf die Bedürfnisse ihres Partners einzugehen. Der Partner könnte dies als mangelndes Interesse interpretieren, obwohl die Person eigentlich von ihren eigenen Ängsten und Gedanken vereinnahmt ist.
6. Verzerrtes Körperbild und Vergleichsverhalten
- Körperliche Selbstwahrnehmung: Viele Betroffene nehmen ihren Körper stark verzerrt wahr, was sich auf das Selbstbewusstsein und die emotionale Stabilität auswirkt. Selbst wenn der Partner sie bestärkt und positive Rückmeldungen gibt, kann die Person dies oft nicht annehmen oder glauben.
- Vergleich mit anderen: Menschen mit Anorexia nervosa vergleichen sich oft stark mit anderen, was ihr Selbstwertgefühl weiter senken kann. Dies kann zur Unsicherheit in der Beziehung führen, da sie sich eventuell nicht gut genug fühlen und befürchten, der Partner könnte sich jemand anderes wünschen.
Tipps für den Umgang in einer Beziehung mit einer Person mit Anorexia nervosa
- Verständnis und Geduld zeigen: Essstörungen sind komplex und erfordern viel Geduld. Der Partner sollte versuchen, sich Wissen über die Krankheit anzueignen, um besser zu verstehen, warum bestimmte Verhaltensweisen auftreten.
- Klare und offene Kommunikation: Über die eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu sprechen und sich gegenseitig zuzuhören, kann helfen, Missverständnisse zu reduzieren.
- Therapie und Unterstützung fördern: Essstörungen sind schwer zu bewältigen, und professionelle Hilfe ist oft unverzichtbar. Der Partner kann Unterstützung bieten, indem er die betroffene Person ermutigt, Therapieangebote anzunehmen und Selbsthilfegruppen in Betracht zu ziehen.
- Grenzen setzen und Selbstfürsorge praktizieren: Da die Betreuung einer Person mit Essstörung belastend sein kann, sollte der Partner auf seine eigene mentale Gesundheit achten und sich selbst nicht vernachlässigen. Auch eigene Grenzen zu setzen und Unterstützung zu suchen, kann wichtig sein.
Eine Beziehung mit einer Person, die an Anorexia nervosa leidet, erfordert viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Verständnis. Essstörungen sind tiefgreifende psychische Erkrankungen, die das Verhalten und die zwischenmenschliche Dynamik stark beeinflussen. Eine Beziehung kann jedoch stabil und unterstützend sein, wenn beide Partner bereit sind, Verständnis füreinander zu entwickeln und professionelle Unterstützung zu suchen.