
💡 Beziehungen mit Menschen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung (HPD)
Eine tiefere Auseinandersetzung mit Dynamiken, Herausforderungen und Chancen
📘 Definition & Merkmale der histrionischen Persönlichkeitsstörung
Die histrionische Persönlichkeitsstörung (HPD) gehört zu den Cluster-B-Störungen im DSM-5, also zu den dramatisch-emotionalen Persönlichkeitsstörungen. Sie ist gekennzeichnet durch übermäßige Emotionalität und ein starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit.
Häufige Merkmale:
Exzessives Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Zuwendung
Theatralisches Auftreten, übertriebener Ausdruck von Gefühlen
Sexuell provokantes oder unangemessenes Verhalten
Schnell wechselnde und oberflächliche Emotionen
Übermäßige Beschäftigung mit Aussehen und Wirkung auf andere
Tendenz zur Idealisierung und Abwertung von Beziehungspartnern
Leicht beeinflussbar durch andere oder äußere Umstände
Menschen mit HPD wirken oft sehr charmant, kontaktfreudig und sozial kompetent – auf den ersten Blick. Doch die zwischenmenschlichen Beziehungen sind häufig instabil und von Unsicherheit geprägt.
🧬 Mögliche Ursachen & Hintergründe
Die genauen Ursachen sind nicht abschließend geklärt, aber folgende Faktoren gelten als relevant:
Frühkindliche Bindungserfahrungen: Vernachlässigung, inkonsistente Aufmerksamkeit oder Verstärkung „dramatischen“ Verhaltens
Lerntheoretische Modelle: Übermäßige Belohnung für extrovertiertes, gefälliges oder theatralisches Verhalten
Familiäre Rollenmuster: „Elternrolle übernehmen“ oder durch Überidentifikation mit einem Elternteil
Genetische Prädispositionen und Temperamentfaktoren
💞 Beziehungsdynamiken mit Menschen mit HPD
1. Beginn der Beziehung – die „Verliebtheitsphase“
Die Person mit HPD wirkt oft besonders lebendig, charmant, spannend.
Sie stellt ihren Partner stark in den Mittelpunkt – es kann sich wie eine intensive Romanze anfühlen.
Es wird viel Nähe gesucht, mit einem schnellen Wunsch nach emotionaler und oft körperlicher Verbindung.
2. Alltag und zunehmende Herausforderungen
Starke Bedürftigkeit: Ständiger Wunsch nach Bestätigung, Aufmerksamkeit und „Lob“.
Emotionale Instabilität: Leichtes Kränken bei vermeintlicher Zurückweisung oder fehlender Bewunderung.
Dramatische Konflikte: Kleinste Themen können zu emotionalen Eskalationen führen.
Eifersucht & Provokation: Oft wird durch gezieltes Verhalten Unsicherheit erzeugt, um emotionale Reaktionen zu testen.
Idealisierung & Entwertung: Erst himmelhochjauchzend, dann enttäuscht – der Partner wird schnell bewertet.
3. Langfristige Beziehungsrisiken
Mangel an emotionaler Tiefe: Obwohl Gefühle stark ausgedrückt werden, fehlt oft reflektierte Selbstwahrnehmung.
Rollenumkehr: Partner werden zu „Versorgern“ oder emotionalen Stützen – oft auf Kosten der eigenen Bedürfnisse.
Doppelte Abhängigkeit: Sowohl Betroffene als auch Partner entwickeln oft Co-Abhängigkeit (emotionales Geben für Bestätigung).
⚠️ Belastungen für Partner, Freunde und Familie
Gefühl emotionaler Erschöpfung
Unberechenbarkeit im Alltag
Konflikte im sozialen Umfeld, da Betroffene auch außerhalb der Partnerschaft Aufmerksamkeit suchen können
Schwierigkeiten mit Loyalität, Nähe und Bindung
Hohes Konfliktpotential, wenn eigene Grenzen gesetzt werden
Oft Schuldgefühle, wenn man sich abgrenzen möchte
👨👩👧 HPD und Familie: Auswirkungen auf Kinder
Wenn ein Elternteil an HPD leidet, kann sich das auf Kinder auswirken, z. B. durch:
Emotional inkonsistentes Verhalten
Übermäßiges Bedürfnis nach Rückbestätigung vom Kind
Verwischung von Eltern-Kind-Grenzen
Instabile Familienstrukturen
Kinder in solchen Familien entwickeln häufig entweder Anpassungsstrategien (Perfektionismus, Verantwortungsübernahme) oder ebenfalls emotionale Instabilität.
🧠 Therapie & Umgangsmöglichkeiten
Für Betroffene:
Psychotherapie (v. a. tiefenpsychologisch fundiert oder Schematherapie)
Arbeit am Selbstwertgefühl
Emotionsregulation und Frustrationstoleranz erlernen
Reflexion über Beziehungsmuster
Aufbau authentischer zwischenmenschlicher Nähe
Für Partner:
Abgrenzung lernen: Bedürfnisse und Grenzen dürfen klar sein – ohne schlechtes Gewissen
Kommunikation auf Augenhöhe: Ruhig, sachlich, nicht emotional eskalierend
Therapie für Angehörige (Paartherapie, Angehörigengruppen)
Realistische Erwartungen entwickeln
Achtsamkeit für Co-Abhängigkeit
🔁 Kann sich eine HPD verbessern?
Ja, mit Therapie und Einsicht kann eine histrionische Persönlichkeitsstörung deutlich verbessert werden. Besonders wichtig sind:
Stabile therapeutische Beziehung
Langfristige Arbeit am Selbstbild
Auflösung destruktiver Beziehungsmuster
Geduld – mit sich selbst und anderen
🧭 Fazit: Zwischen Faszination und Herausforderung
Menschen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung sind oft lebensfrohe, kreative und soziale Persönlichkeiten – aber ihre Beziehungen können stark unter der Suche nach äußerer Bestätigung und tieferliegender Selbstunsicherheit leiden.
Eine funktionierende Beziehung ist nicht ausgeschlossen, aber sie braucht:
Klarheit
Geduld
Selbstreflexion auf beiden Seiten
und oft professionelle Hilfe.
Liebevoll Grenzen zu setzen ist besonders wichtig – und herausfordernd – im Umgang mit Menschen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung (HPD). Das Ziel ist, für sich selbst zu sorgen, ohne den anderen zu verletzen oder in unnötige Eskalationen zu geraten. Menschen mit HPD sind oft sehr empfindlich gegenüber Zurückweisung, deshalb ist der Ton entscheidend.
Hier sind praktische Strategien, um liebevoll, aber klar Grenzen zu setzen:
🧭 1. Verstehe zuerst deine eigenen Grenzen
Bevor du eine Grenze setzen kannst, musst du dir selbst klar sein:
Was ist für dich okay – und was nicht?
Wo fühlst du dich überfordert, ausgenutzt oder emotional manipuliert?
Was brauchst du, um dich in der Beziehung wohl und sicher zu fühlen?
👉 Beispiel: „Ich brauche auch Zeit für mich, um Energie zu tanken.“
🗣️ 2. Sprich in Ich-Botschaften, nicht in Vorwürfen
Vermeide Formulierungen wie:
❌ „Du bist immer so dramatisch!“
✅ „Ich merke, dass ich mich überfordert fühle, wenn Gespräche schnell eskalieren. Ich wünsche mir mehr Ruhe dabei.“
Das reduziert das Risiko, dass sich die andere Person abgewertet oder angegriffen fühlt.
💬 3. Konkrete, ruhige Kommunikation
Formuliere klar und direkt, ohne Ausreden oder Ausweichen:
Klarheit schafft Sicherheit – auch für die andere Person.
HPD-Betroffene testen Grenzen oft unbewusst – also: konsequent bleiben.
👉 Beispiel:
„Ich möchte dir zuhören, aber bitte nicht schreien. Sonst beende ich das Gespräch, bis wir beide ruhiger sind.“
💞 4. Empathisch bleiben – aber standhaft
Zeige Mitgefühl, ohne dich aufzugeben:
„Ich sehe, dass du verletzt bist – und ich bin da für dich.“
„Aber ich bleibe bei meiner Entscheidung, heute allein zu sein.“
👉 Botschaft: „Ich bin für dich da – aber nicht um jeden Preis.“
🕊️ 5. Bleib bei dir – nicht in die Dynamik einsteigen
Lass dich nicht in ein Drama hineinziehen. Das bedeutet nicht Kälte, sondern Selbstschutz mit Liebe.
Beispiel:
"Ich merke, dass die Situation gerade sehr emotional wird. Ich möchte in Ruhe weitersprechen, wenn wir beide etwas runtergekommen sind."
🔁 6. Wiederhole Grenzen ruhig – auch mehrfach
Menschen mit HPD können emotional reagieren, wenn sie nicht bekommen, was sie sich wünschen – dann werden Grenzen getestet. Bleib ruhig und wiederhole deine Aussage, ohne zu diskutieren oder zu rechtfertigen.
👉 Beispiel:
„Ich habe dir schon gesagt, dass ich Zeit brauche. Das gilt immer noch.“
🧘♂️ 7. Akzeptiere, dass Grenzen auch zu Enttäuschung führen können
Du bist nicht verantwortlich für die Gefühle der anderen Person, solange du respektvoll bist. Gefühle wie Wut, Traurigkeit oder Enttäuschung gehören dazu – auch wenn sie unangenehm sind.
🧱 Beispielhafte Formulierungen für liebevolle Abgrenzung
Situation | Mögliche Aussage |
---|---|
Ständige Anrufe/Nachrichten | „Ich mag es, von dir zu hören. Aber ich brauche auch Pausen vom Handy, sonst werde ich unruhig.“ |
Theatralisches Verhalten | „Ich nehme deine Gefühle ernst, aber wenn du schreist oder mich beschuldigst, ziehe ich mich zurück.“ |
Eifersucht provozieren | „Wenn du mir vertraust, brauchen wir solche Spielchen nicht. Ich will echte Nähe, keine Machtkämpfe.“ |
Schuldzuweisungen | „Ich höre dir zu, aber bitte sprich mit mir, nicht gegen mich.“ |
Drängen zu Entscheidungen | „Ich will nichts überstürzen. Ich nehme mir die Zeit, die ich brauche.“ |
✅ Zusammengefasst: Die 4 „L“ der liebevollen Grenze
Langsam – Atme, bevor du reagierst.
Lösungsorientiert – Nicht gegen, sondern für dich sprechen.
Loyal zu dir selbst – Du darfst dich selbst ernst nehmen.
Liebevoll konsequent – Empathie ohne Selbstaufgabe.