Das Thema Beziehungen zwischen Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) und solchen mit anderen psychischen Störungen ist komplex, sensibel und individuell sehr unterschiedlich. Es gibt aber einige wiederkehrende Dynamiken, Herausforderungen und Potenziale, die in solchen Konstellationen eine Rolle spielen können.

🔍 Allgemeine Merkmale der BPS in Beziehungen
Menschen mit Borderline können in Beziehungen:
sehr intensive Gefühle entwickeln (oft schnell und heftig),
ein starkes Bedürfnis nach Nähe, aber gleichzeitig Angst vor Zurückweisung haben,
zwischen Idealisierung und Entwertung des Partners hin- und herwechseln („Splitting“),
starke Verlustängste erleben,
Schwierigkeiten mit der Emotionsregulation haben.
🤝 Beziehungskonstellationen mit anderen psychischen Störungen
1. BPS + Depression (Partner depressiv)
Dynamik: Die depressive Person zieht sich emotional zurück → die Borderline-Person erlebt das als Ablehnung → starke emotionale Reaktionen → Teufelskreis.
Risiko: Co-Abhängigkeit, emotionale Erschöpfung, gegenseitige Trigger.
Chance: Verständnis für psychisches Leid auf beiden Seiten kann Basis für gegenseitige Unterstützung sein.
2. BPS + Angststörung
Dynamik: Beide Partner können sehr sensitiv auf Ablehnung reagieren.
Risiko: Übervorsichtiger Umgang oder emotionale Vermeidung durch den Angst-Partner, was vom BPS-Partner als Zurückweisung erlebt wird.
Chance: Wenn offen kommuniziert wird, kann ein sehr achtsamer, feinfühliger Umgang entstehen.
3. BPS + Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Dynamik: Häufig toxische Beziehung. Der narzisstische Partner sucht Kontrolle oder Bewunderung, die Borderline-Person sucht emotionale Nähe.
Risiko: Machtungleichgewicht, emotionale Ausbeutung.
Warnung: Diese Kombination ist oft hochkonflikthaft und instabil.
4. BPS + Autismus-Spektrum-Störung (ASS)
Dynamik: Unterschiedliche Arten, Emotionen zu verarbeiten und auszudrücken, können zu Missverständnissen führen.
Risiko: Die Borderline-Person sehnt sich nach emotionaler Spiegelung, die der ASS-Partner nicht intuitiv bietet.
Chance: Wenn beide bereit sind, voneinander zu lernen, kann eine stabile und bereichernde Beziehung entstehen – mit klaren Regeln und viel Verständnis.
5. BPS + ADHS
Dynamik: Emotional intensive und oft impulsive Beziehung. Beide Partner können sich schnell hochschaukeln.
Risiko: Reizüberflutung, Chaos, Streit.
Chance: Viel Verständnis für emotionale Ausbrüche und gemeinsame Suche nach Struktur kann hilfreich sein.
🛠️ Was hilft bei solchen Beziehungen?
Therapie (Einzel und/oder Paar): Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) ist für BPS besonders hilfreich.
Klare Kommunikation: Bedürfnisse und Grenzen sollten klar und ehrlich kommuniziert werden.
Selbstreflexion und Psychoedukation: Verständnis für die eigenen Muster und die des Partners.
Geduld und Empathie: Verständnis für emotionale Schwankungen oder Rückzüge.
🧠 Grundlagen: Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)
Die BPS ist eine tiefgreifende Persönlichkeitsstörung, die durch:
instabile zwischenmenschliche Beziehungen,
Identitätsstörungen,
Impulsivität und
emotionale Instabilität gekennzeichnet ist (DSM-5; APA, 2013).
🔬 Neurobiologische Grundlagen:
Menschen mit BPS zeigen veränderte Aktivität in der Amygdala (emotionales Alarmsystem) und im präfrontalen Cortex (Emotionsregulation).
Studien (z.B. Schulze et al., 2016) zeigen: Starke emotionale Reaktionen und geringe Toleranz für Frustration sind neurologisch fundiert.
💞 Zwischenmenschliche Beziehungen bei BPS
Forschung zeigt:
Personen mit BPS erleben Beziehungen als intensiv, instabil und konflikthaft (Lieb et al., 2004).
Sie neigen zu „Splitting“ – Schwarz-Weiß-Denken in Bezug auf andere (idealisiert vs. entwertet).
Beziehungstrauma (z.B. Bindungsverletzungen in der Kindheit) ist oft eine Grundlage (Zanarini et al., 2000).
🔗 BPS & andere psychische Störungen in Beziehungskontexten
1. BPS + Depression beim Partner
Depressive Partner neigen zu Rückzug und emotionaler Distanziertheit – was das BPS-Schema „Ich werde verlassen“ aktiviert.
Studien zeigen: Diese Kombination führt oft zu zyklischem Eskalationsverhalten (einer zieht sich zurück → der andere klammert/verzweifelt) (Whisman & Bruce, 1999).
Therapieansätze: DBT für BPS + kognitive Verhaltenstherapie (CBT) für Depressionen sind hilfreich (Linehan, 1993; Beck, 2011).
2. BPS + Angststörung beim Partner
Angstgestörte Partner vermeiden Konflikte → vermeidendes Verhalten verstärkt bei BPS-Betroffenen die Angst vor Ablehnung.
Es besteht die Gefahr einer gegenseitigen Reaktivierung von Ängsten, wenn keine Regulationsstrategien vorhanden sind.
Studien (Chambless & Gracely, 1989) zeigen, dass Partnerschaften mit stark vermeidenden Typen bei emotional instabilen Partnern besonders konflikthaft sein können.
3. BPS + Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Die narzisstische Suche nach Bewunderung kollidiert mit der starken Bedürftigkeit der Borderline-Person.
Studien (Ronningstam, 2005) zeigen, dass narzisstische Partner in Beziehungen mit BPS-Partnern oft manipulative Muster zeigen, was zu emotionalem Missbrauch führen kann.
Hohe Komorbidität (oft besteht auf beiden Seiten eine Persönlichkeitsstörung) → besonders instabile Beziehungskonstellation (Dimaggio et al., 2013).
4. BPS + Autismus
Sozial-emotionale Missverständnisse häufig: BPS-Person sucht emotionale Spiegelung, ein Autist reagiert oft kognitiv oder neutral.
Studien (Lai et al., 2019) zeigen: Autisten haben Schwierigkeiten mit affektiver Empathie, was zu Frustration bei BPS-Betroffenen führen kann.
Potenzial: Wenn Strukturen geschaffen werden und klare Kommunikation eingeübt wird, können Beziehungen stabil sein.
5. BPS + ADHS
Beide Störungen teilen impulsive Verhaltensmuster, emotionale Instabilität und Schwierigkeiten in der Selbststeuerung (Philipsen et al., 2008).
Studien deuten darauf hin, dass emotionale Dysregulation bei beiden Störungen eine gemeinsame neurobiologische Basis hat.
Beziehungspotenzial: Gemeinsames Verständnis für emotionale Ausbrüche, aber Risiko für chaotische, unstrukturierte Partnerschaften.
🧩 Fazit & Ausblick
Beziehungen zwischen Menschen mit BPS und anderen psychischen Störungen sind oft von starken Dynamiken, aber auch einem hohen Potenzial zur gegenseitigen Unterstützung geprägt.
🔑 Wichtige Schutzfaktoren:
Therapeutische Unterstützung (Paartherapie, DBT, Schema-Therapie, ACT),
emotionale Selbstregulation auf beiden Seiten,
gegenseitige Psychoedukation über die jeweiligen Störungen,
Klare Kommunikation und Beziehungsvereinbarungen.
🧪 Beispiel-Dynamik: Lena (BPS) & Jonas (depressiv)
🧍♀️ Lena – Borderline-Persönlichkeitsstörung
Emotional sehr sensibel, leidet unter starker Angst, verlassen zu werden.
Zeigt oft rasche Stimmungswechsel und reagiert heftig auf scheinbare Zurückweisungen.
Hat ein starkes Bedürfnis nach Nähe, aber auch Angst, zu viel zu sein.
🧍♂️ Jonas – rezidivierende Depression
Ist oft emotional zurückgezogen, braucht viel Ruhe und kann Gefühle schwer zeigen.
Erlebt sich selbst als „Last“ und neigt dazu, Konflikte zu vermeiden.
Hat wenig Energie, sich um die Beziehung aktiv zu kümmern.
🔄 Beziehungsdynamik im Alltag
🔹 Tag 1: Nähe & Harmonie
Jonas hat einen „guten Tag“ – ist aufmerksam und zärtlich.
Lena fühlt sich sicher und geliebt. Sie sagt: „Endlich spür ich, dass du mich wirklich willst.“
Idealisierung: Jonas wird als der „perfekte Partner“ erlebt.
🔹 Tag 2: Rückzug & Aktivierung des Verlassensschemas
Jonas zieht sich zurück, weil er sich erschöpft fühlt. Er antwortet spät auf Nachrichten.
Lena erlebt das als Ablehnung. Ihr inneres Skript wird aktiviert: „Er verlässt mich. Ich bin ihm egal.“
Sie schreibt 10 Nachrichten hintereinander, ruft mehrfach an, fühlt sich panisch.
🔹 Tag 2, Abend: Eskalation
Jonas meldet sich mit: „Ich brauchte einfach mal Ruhe, sorry…“
Lena reagiert wütend: „Dann sag’s halt, statt mich zu ghosten! Ich halt das nicht aus!“
Konflikt eskaliert. Jonas fühlt sich überfordert und zieht sich noch mehr zurück.
🔹 Tag 3: Schuld, Scham & Ambivalenz
Lena schämt sich für ihre Reaktion, denkt, sie sei „zu viel“.
Jonas fühlt sich schuldig, weil er „nicht genug“ für sie da sein kann.
Beide ziehen sich innerlich zurück. Gefühl der Hilflosigkeit.
🎯 Psychodynamik dahinter (verkürzt):
Lena (BPS) | Jonas (Depression) |
---|---|
Nähe = Sicherheit | Nähe = Anstrengung |
Rückzug = Gefahr / Ablehnung | Rückzug = Schutz vor Überforderung |
Wut als Schutz vor Angst | Rückzug als Schutz vor Schuldgefühlen |
Schwarz-Weiß-Denken | Neigung zur Passivität, Vermeidung von Drama |
Bedürfnis nach schneller Klärung | Bedürfnis nach Ruhe |
🛠️ Therapeutische Ansätze zur Entschärfung
Psychoedukation:
Beide verstehen ihre Muster besser.
Lena lernt: Rückzug ≠ Ablehnung.
Jonas lernt: Nähe ≠ emotionale Bedrohung.
Kommunikationsregeln:
Jonas teilt Rückzugsbedürfnis aktiv mit („Ich brauch 2 Stunden Ruhe, dann bin ich wieder da.“).
Lena lernt, ihre Angst auszudrücken, ohne zu eskalieren („Ich merke, dass mir das Angst macht, darf ich kurz sagen, was da in mir abgeht?“).
Therapie (z. B. DBT für Lena):
Emotionsregulation, Achtsamkeit, Umgang mit Triggern.
Jonas ggf. in kognitiver Verhaltenstherapie zur Stärkung von Selbstwert & Aktivität.
🗓️ Typische Beziehungswoche: Lena & Jonas
Montag – „Der gute Tag“
Jonas hat etwas Energie, sie verbringen einen harmonischen Abend zusammen.
Lena ist liebevoll, voller Hoffnung: „Es wird besser, wir schaffen das.“
Jonas sagt: „Ich wünschte, es wäre immer so.“
Nähe ist spürbar, beide sind emotional verbunden.
Dienstag – Leichter Rückzug
Jonas hat einen Durchhänger, antwortet tagsüber kaum.
Lena bekommt Angst, schreibt: „Bist du sauer?“ – keine Antwort.
Gedankenkarussell bei Lena: „Er ignoriert mich, ich bin ihm egal.“
Abends kommt Jonas müde nach Hause, Lena wirkt angespannt.
Mittwoch – Eskalation
Jonas zieht sich ins Schlafzimmer zurück, braucht Ruhe.
Lena betritt nach einer Stunde das Zimmer, emotional aufgewühlt:
„Wieso kommst du nicht zu mir? Sag doch einfach, wenn du keine Lust mehr auf uns hast!“
Jonas fühlt sich überfordert, sagt: „Ich kann das grad nicht.“
Streit eskaliert → Lena weint, schreit, droht mit Trennung.
Jonas wird still, zieht sich komplett zurück.
Donnerstag – Funkstille & Schuldgefühle
Beide reden kaum. Lena schämt sich, denkt: „Ich bin kaputt.“
Jonas fühlt sich schuldig, denkt: „Ich kann ihr nicht helfen, ich bin ein schlechter Partner.“
Beide fühlen sich allein – sind aber gleichzeitig sehr voneinander abhängig.
Freitag – Entschuldigung & Wiederannäherung
Lena schreibt eine lange Nachricht: „Es tut mir leid. Ich will das nicht kaputt machen.“
Jonas antwortet: „Ich weiß, du meinst es nicht böse. Ich fühl mich nur überfordert.“
Am Abend versöhnen sie sich – intensive Nähe, fast wie am Anfang der Beziehung.
Der Kreislauf beginnt von vorn.
🧰 Therapie-Impulse & Tools für Paare
🔸 Für Lena (BPS)
DBT-Fertigkeiten: Stresstoleranz, Emotionsregulation, zwischenmenschliche Effektivität.
Tagebuchkarten zur Selbstbeobachtung:
Welche Gedanken treten bei Rückzug auf?
Was war der Auslöser für die Reaktion?
Verhaltensexperimente:
z. B. Jonas meldet sich 2 Stunden nicht – Lena beobachtet Gedanken & Emotionen ohne sofort zu handeln.
🔸 Für Jonas (Depression)
CBT-Bausteine: Aktivierungspläne, realistische Selbstzuschreibungen (nicht „ich bin schuld“).
Kommunikationstraining:
Lernen, Rückzugsbedürfnisse klar und liebevoll zu kommunizieren: „Ich brauch kurz Zeit, es hat nichts mit dir zu tun.“
🔸 Gemeinsame Tools
"Beziehungsprotokoll": Wöchentliche Reflexion – Was lief gut? Was war schwierig?
Notfallplan für Konflikte:
z. B. Codewort für Abbruch eines eskalierenden Gesprächs.
Vereinbarte Auszeit mit Rückkehr-Garantie.
Verständnisbrücke:
Jeder erklärt dem anderen seine "innere Logik" (z. B. „Wenn du mich nicht ansiehst, denke ich, du hasst mich“).
❤️ Potenziale trotz (oder wegen) der Störungen
Wenn beide lernen:
sich selbst besser zu verstehen,
den Partner nicht als "Auslöser", sondern als "Mitspieler im eigenen System" zu sehen,
Verantwortung für die eigenen Reaktionen zu übernehmen,
…dann kann diese Beziehung sehr heilsam sein – auch wenn sie herausfordernd bleibt.
Ein konkretes 5-Schritte-Modell, das therapeutisch erprobt ist (u. a. aus der DBT-Paararbeit, Schema-Therapie und emotionsfokussierten Ansätzen), ergänzt mit Beispielen aus der Beziehung Lena & Jonas.
🌀 Weg aus der Eskalationsspirale (5 Schritte)
🔹 1. Die Spirale erkennen – „Wir gegen das Muster“
Ziel: Das Muster als gemeinsamen Gegner erkennen, nicht den Partner.
📌 Beispiel:
Lena und Jonas reflektieren gemeinsam:
„Immer wenn du dich zurückziehst, denk ich, ich bin dir egal – und dann werde ich panisch. Und dann fühlst du dich von mir bedrängt. Das ist unser Teufelskreis.“
🔧 Tools:
Musterkarte: Wer macht wann was? Was passiert vorher?
Stichworte visualisieren: z. B. "Trigger – Angst – Reaktion – Rückzug – Eskalation"
🔹 2. Frühwarnzeichen identifizieren – „Was passiert bevor es kracht?“
Ziel: Körpersignale, Gedanken, Gefühle früh wahrnehmen.
📌 Beispiel:
Lena merkt: Herzklopfen, Gedanke „Er meldet sich nicht – ich bin ihm egal“.
Jonas merkt: innere Anspannung, Wunsch zu fliehen, Gedanken wie „Ich schaff das nicht.“
🔧 Tools:
Emotionsampel (grün – gelb – rot)
„Innere Dialoge“ aufschreiben (z. B. „Ich hab Angst, wieder allein zu sein“)
🔹 3. Deeskalation aktiv einleiten – „Stoppen, bevor’s brennt“
Ziel: Eskalation unterbrechen, bevor sie losgeht.
📌 Beispiel:
Jonas sagt: „Ich merk, ich zieh mich gerade innerlich zurück. Ich brauch 30 Minuten Ruhe, dann reden wir.“
Lena atmet bewusst, schreibt Gefühle ins Handy, statt zu reagieren.
🔧 Tools:
Skillbox aus der DBT: z. B. kaltes Wasser, radikale Akzeptanz, Achtsamkeit
„Time-Out mit Rückkehrritual“: z. B. Timer auf 30 Min + liebevolle Nachricht danach
🔹 4. Bedürfnisse ausdrücken, nicht Forderungen – „Sag mir, was in dir ist“
Ziel: Emotionale Kommunikation ohne Schuldzuweisung
📌 Beispiel:
Statt: „Du lässt mich immer allein!“
Besser: „Wenn du dich zurückziehst, spüre ich Angst und Einsamkeit. Ich wünsche mir Sicherheit.“
🔧 Tools:
GFK-Grundformel (Gewaltfreie Kommunikation):
Wahrnehmung – Gefühl – Bedürfnis – Bitte
„Gefühlslandkarte“: Was steckt wirklich hinter Wut? (oft: Angst, Trauer, Ohnmacht)
🔹 5. Neue Erfahrungen machen – „Wir können anders miteinander umgehen“
Ziel: Positive Gegenbeispiele zum alten Muster schaffen.
📌 Beispiel:
Lena spürt ihre Angst, schickt keine 10 Nachrichten – Jonas meldet sich nach 30 Min wie versprochen.
Beide haben das erste Mal erlebt: „Wir können einen Konflikt nicht eskalieren.“
🔧 Tools:
Erfolgstagebuch: Kleine Fortschritte dokumentieren
Positive Verhaltensverabredung:
z. B. Jeden Sonntag: „Check-in“-Gespräch 15 Minuten (Wie war die Woche? Was lief gut?)
💬 Kurzzusammenfassung für Jonas & Lena
Schritt | Fokus | Beispiel |
---|---|---|
1. | Muster erkennen | „Wenn du dich zurückziehst, werd ich laut.“ |
2. | Frühwarnzeichen spüren | „Ich spür Unruhe, Gedankenkarussell geht los.“ |
3. | Eskalation stoppen | „Ich brauch 30 Minuten Pause, aber komm danach.“ |
4. | Bedürfnisse ausdrücken | „Ich wünsch mir Nähe, ohne dich zu bedrängen.“ |
5. | Neue emotionale Erfahrung machen | „Wir haben’s geschafft, ohne zu streiten.“ |
✅ Bonus: Kleine Erinnerungssätze für den Alltag
„Nicht gegen dich – wir gegen das Muster.“
„Ich spüre gerade Angst – nicht Wut.“
„Es ist okay, sich zurückzuziehen, wenn wir verbunden bleiben.“
„Ich bin nicht falsch – ich fühle nur intensiv.“
Hier ist eine ausführliche, strukturierte Beziehungs-Toolbox für Paare mit Borderline-Dynamik, wie z. B. Lena (BPS) & Jonas (Depression). Sie enthält:
Grundlagenwissen
Frühwarnzeichen-Checklisten
Kommunikationshilfen
Deeskalationsmethoden
Übungen zur emotionalen Verbindung
Gemeinsame Reflexionsformate
❤️ TOOLBOX: Gemeinsam durch emotionale Stürme
📘 1. Grundverständnis: Das Muster ist der Gegner
Ziel:
Nicht „du vs. ich“, sondern: „wir gegen die Spirale“.
Verhaltensweise | Was dahinter steckt (Lena) | Was dahinter steckt (Jonas) |
---|---|---|
Wut, Vorwürfe | Angst vor Verlassenwerden | Gefühl von Überforderung |
Rückzug | Selbstschutz nach Eskalation | Rückzug zur Selbstregulation |
Schweigen | Scham, Hilflosigkeit | Energieverlust, Depression |
Überflutung | Intense emotionale Aktivierung | Ohnmacht, „Ich kann nichts tun“ |
🛠 Tool: Musterkarte
Gemeinsam das „Drehbuch“ eurer Konflikte skizzieren
Wer tut was – wann – mit welcher Absicht?
🟡 2. Frühwarnsystem aktivieren
Ziel:
Beide lernen, frühe Anzeichen der Eskalation zu erkennen.
🔍 Frühzeichen bei Borderline-Reaktivität (Lena):
Gedanken: „Er liebt mich nicht mehr“
Körpersignale: Enge in der Brust, Herzrasen
Verhaltenstendenz: Drängen, viele Nachrichten, Wut
🔍 Frühzeichen bei Depression & Rückzug (Jonas):
Gedanken: „Ich schaffe das nicht. Ich bin zu wenig“
Körpersignale: Erschöpfung, Rückzugswunsch
Verhaltenstendenz: Schweigen, Zimmer verlassen, innerliches Abschalten
🛠 Tool: Emotionsampel
Farbe | Zustand | Handlung |
---|---|---|
🟢 Grün | Ruhig, reguliert | Nähe genießen, reflektieren |
🟡 Gelb | Angespannt, unsicher | Stoppen, atmen, benennen |
🔴 Rot | Überflutet, reaktiv | Time-out, Deeskalation |
🧯 3. Deeskalation im Akutfall
Ziel:
Konflikte abbremsen, bevor sie zerstören.
🛠 Tool: Time-Out mit Rückkehrregel
Vereinbarung: Jeder darf eine Auszeit nehmen
Wichtig: Immer mit klarer Rückkehrzeit (z. B. „Ich brauch 30 Minuten, dann reden wir.“)
🛠 Notfallskills (aus DBT)
Kaltes Wasser (Gesicht, Unterarme)
Intensiver Geschmack (scharf, sauer)
Körperlicher Reiz (z. B. Gummiband, Igelball)
„Stopp!“-Karte bei Eskalation griffbereit halten
🗣 4. Kommunikation mit Gefühl und Klarheit
Ziel:
Bedürfnisse zeigen, ohne zu verletzen oder sich zu verlieren.
🛠 Tool: GFK-Schema (Gewaltfreie Kommunikation)
Beobachtung: „Wenn du gestern nicht geantwortet hast…“
Gefühl: „… hab ich Angst bekommen.“
Bedürfnis: „… weil mir Sicherheit wichtig ist.“
Bitte: „… kannst du mir beim nächsten Mal kurz schreiben, dass du Ruhe brauchst?“
🛠 Übung: Dialog der inneren Anteile
Jeder formuliert einen Satz als inneres Kind, Beschützer, kritische Stimme
Ziel: Tieferes Verständnis für die eigenen Muster und die des anderen
🫶 5. Emotionale Verbindung stärken
Ziel:
Nicht nur Krisen vermeiden – sondern Nähe aufbauen.
🛠 Tool: Wochenritual „Emotions-Check-In“
Wöchentlich 20 Minuten, feste Struktur:
Was war emotional schön diese Woche?
Was war schwierig?
Was wünsche ich mir für die nächste Woche?
🛠 Tool: Verbindungsmomente bewusst schaffen
„5-Minuten-Herzzeit“: Handy weg, Augenkontakt, fragen: „Wie fühlst du dich gerade wirklich?“
Zärtlichkeit ohne Erwartung (Händchenhalten, Umarmung ohne „Lösung“)
📒 6. Langfristige Stabilisierung
Ziel:
Routinen & Ressourcen aufbauen, um das emotionale Gleichgewicht langfristig zu stärken.
🛠 Tool: Persönliche Notfallpläne
Jeder hat eine Liste:
Was beruhigt mich?
Was brauche ich vom Partner?
Was sollte nicht passieren?
🛠 Tool: Gemeinsames „Sicherheitsnetz“
Unterstützer*innen, Therapien, Krisendienste
Klare Absprachen für belastete Phasen („Wer meldet sich wann bei wem?“)
🛠 Tool: Erfolgsprotokoll
Jede Woche: 1 Satz zu etwas, das nicht eskaliert ist
z. B.: „Ich habe mich gestern zurückgezogen, aber du hast gewartet – das war neu für uns.“
💬 Abschluss-Gedanke:
Beziehungsheilung passiert nicht, wenn alles perfekt läuft – sondern wenn man gemeinsam durch schwierige Momente geht, ohne sich zu verlieren.